Anapher (Anaphora)
3. De Anaphora.
Anaphora est ornamentum, quod sonos similes per diversas aliquas, non aute[m] omnes, Harmoniæ voces repetit in morem Fugæ, cum tamen revera non sit fuga. Ad Fugam enim requiruntur omnes Voces, si Fugæ nomen Harmonia mereatur. Exemplum est apud Orlandum in Surrexit pastor bonus; ad textum Baßi: Qui animam suam. Et in In me transierunt, ad textum: Conturbaverunt me. | Eine Anapher ist eine Figur, bei der ähnliche Töne in einigen verschiedenen Stimmen der Harmonia wiederholt werden, aber nicht in allen Stimmen. Das geschieht wie bei einer Fuga, wobei die Anapher keine richtig Fuga ist. Bei einer Fuga sind nämlich alle Stimmen beteiligt, wenn die Fuga denn den Namen verdienen soll. Ein Beispiel gibt es bei Orlando (die Lasso) in Surrexit pastor bonus auf den Text im Bass „Qui animam suam“. Un dim Stück In me transierunt auf den Text „Conturbaverunt me“. |
Eine Anapher ist literarisch die Wiederaufnahme von Wörtern oder Wortgruppen. Musikalisch bezieht Burmeister das auf meist kurze Soggetti. Eine Anapher erhält damit eine Ähnlichkeit zur fuga durch die weniger regulierte Form der Folge von Soggetti oder die Auslassung von Stimmen grenzen die Figur von der fuga ab. Burmeister betont, dass die Anapher „nicht eigentlich eine Fuga ist. Zu einer Fuga nämlich bedarf es aller Stimmen […]“ (Übers. von Ph. Kallenberger \cite[149]{burmeister_musica_2004}) In seinem Beispiel aus Lassos Motette Surrexit pastor bonus sind aber auf engem Raum alle Stimmen beteiligt. Einer fuga müsste daher wahrscheinlich eine klarere Struktur und evtl. auch ein umfangreicheres Soggetto zu Grunde liegen. Im Beispiel ist die rhythmische Deklamation des Textanfangs „qui animam“ das markanteste Merkmal.