Corpus Cantilenae V – „in conspectu meo semper“

Die hier von Burmeister konstatierte Fuga Realis ist nicht so streng und kompakt durchgeführt wie die des Exordiums. Dennoch nimmt sie zeitlich in der Motette einen relativ großen Raum ein. Das immer wiederkehrende Soggetto wird oft gut hörbar wiederholt und unterstützt damit im relativ lockeren Satz auf musikalischer Ebene das im Text angelegte „semper“, welches das permanente „im Blick Haben“ des vorher beschrieben Schmerzes beschreibt. Die losere Form der Fuge macht sich nicht nur durch die permanent wechselnden Stimmkombinationen bemerkbar – der Satz ist bis auf einige Schnittstellen 3-4 stimmig gehalten –, sondern auch in der großen Varianz Tonhöhen, auf denen die Einsätze des Soggettos liegen. Beginnend mit einem Einsatz auf d treten vor allem Einsätz auf e, c und h auf. Also auf allen Tonstufen des oberen Tetrachords von e-Phrygisch.

Ein typisches Merkmal dieser Fuga ist auch die paralelle Führung von Stimmen. Im Notentext zeigen die schwächer markierten Einsätze paralelle Terz- oder Dezimen-Sätze an. Zählt man diese als normale Einsätze mit hinzu gibt es zusätzlich auch Soggetto-Einsätze auf f und g. Die Hierachisierung der Einsätze als „volle“ und „mitlaufende“ Stimmen ergibt sich für mich zum Einen aus der Anordnung der Einsätze im oberen Tetrachord h-e und zum Anderen aus der Vorgabe Burmeisters, dass in einer Fuga Realis alle Stimmen am Soggetto beteiligt sein sollen. Beide Vorgaben lassen sich hier mehr oder weniger gut übereinbringen. Dem Altus fehlt beispielsweise ein „richtiger“ Einsatz. Er läuft in der unteren Darstellung gleich zu Anfang „nur“ mit dem Tenor mit.