Symblema

IX. De Symblemate.

Symblema est Concordantiarum et Dissonantiarum commissura, quae hâc ratione fit: Omnes Concordantiae se habent in omnibus Harmoniae vocibus ut absolutae Concordantiae, idque in Principio, vel parte priori tactus dimidiâ. In Fine vero vel parte tactus dimidiâ posteriori non omnes voces se in syntaxi habent, ut Concordantiae absolutae, sed quaedam tantum. Quae inter se concordes sunt, hae aut moventur, et quidem motu pari; aut prorsus ad aliquot tactus persistunt. Quod exemplô Orlandi in Quam benignus es Domine quinque vocum priori parte fit comprobatum, sub textu Salutare tuum. Ein Symblema ist die Vermischung von Konsonanzen und Dissonanzen, was auf folgende Weise geschieht: Alle Konsonanzen verhalten sich in allen Stimmen der Harmonia wie absolute Konsonanzen, und das sowohl am Anfang als auch in der Mitte eines Schlages. Am Ende aber oder in der Mitte eines Schlages verhalten sich nicht alle Stimmen im Zusammenhang zum vorigen wie absolute Konsonanzen, sondern nur manche Stimmen. Diejenigen Stimmen, die unter sich konsonant sind, werden aber bewegt und zwar in gleicher Bewegung, oder aber sie bleiben gerade für einige Schläge liegen. Das wird zum Beispiel anhand von Orlando (di Lassos) Quam benignus es Domine zu fünf Stimmen auf den Text „Salutare tuum“ offenkundig.
Id majus Symblema dicitur: Minus est quando talis commissura fit sub dimidio tactus, quod quia non ita afficit, pro Figura & Ornamento non reputatur. Exemplum hoc esto: [Vgl. Abb. unten] Das wird großes Symblema geannt: Vom kleinen Symblema spricht man immer dann, wenn eine solche Vermischung unter der Hälfte eines Schlages geschieht, was, da dies nicht allzu sehr ins Gewicht fällt, nicht zu einer Figura und Ornamentum gezählt wird. Ein Beispiel dafür sei dies: [Vgl. Abb. unten]

Als Symblema bezeichnet Burmeister vereinfacht gesagt Transitusnoten auf unbetonten Taktzeiten. Die Figur zielt wohl hauptsächlich auf Durchgänge mit Halben bzw. Minimae. Burmeister unterscheidet zwischen dem großen und kleinen Symblema, wobei er nur dem großen Symblema bei dem die Durchgänge auf Minima-Ebene geschehen den Rang einer Figur zuweist. Burmesters eigenes Beispiel zu einem kleinen Symblema, das nicht den Rang einer Figur hat sieht so aus:

Dasselbe Beispiel lässt sich aber zu einem großen Symblema und damit zu einer Figur machen, wobei ein größerer Kontext dabei noch besser wäre, wie es dann im abschließenden Lasso Beispiel gegeben ist:

Ein Beispiel für ein großes Symblema stammt aus der Motette Quam benignus es von Lasso. Er arbeitet hier mit sehr auffälligen Durchgängen auf Minima-Ebene. Die Menge an gleichzeitigen Durchgängen, die untereinander, aber nicht mit dem Bass konsonieren, ist an der ersten Stelle durchaus bemerkenswert. Was jeweils als Entscheidung zu treffen wäre, ist, ab welcher Menge an Durchgängen und in welchem Kontext man bei Durchgängen dieser Art von einer Figur sprechen kann:

Abgrenzung zur Parrhesia

Der einfachen Durchgänge am Beginn des Beispiels auf die Silbe „-lu-“ im Cantus und an der paralellen Stelle zwei Takte später sowie der letzte Durchgang im Bass auf die Silbe „-re“, wären als Parrhesia zu bezeichnen (runde Markierung). Der Unterschied zum Symblema liegt in der Menge der sich bewegenden Stimmen. Das Symblema ist nach meinem Verständnis die Bewegung von zwei oder mehr Stimmen, sodass ein dissonanter Durchgang aus zwei oder mehreren unterschiedlichen Tönen entsteht, während die Parrhesia nur die Bewegung in einer Stimme darstellt, was auch die Namensgebung „Parrrhesia“ als einer für das einzelne Individuum „gefährlichen“ Rede erklären würde. Vgl. dazu auch den Eintrag zur Parrhesia.