Pleonasmus

XI. De Pleonasmo.

Pleonasmus πλεονασμὸς est Harmoniae, in formatione Clausulae praesertim in ejus Medio abundantia, quae ex Symblemate et Syncopa conflatur, sub duplici, triplici, et ultra, tactu, et cetera. Sub quadruplici apud Orlandum in Heu quantus dolor, ad textum Restat amore dolor, &c. Sub minori, atque ita simplici, tactu, vel etjam majori, infinita exempla reperiuntur in Madrigalibus Italorum et cetera alijsque similibus. Sub duplici tactu in Iohannis Knoefelij operibus exempla multa inveniuntur. Sub triplici unum apud eundem in Cantilena Laetifica nos Deus et cetera obvium est. Ein Pleonasmus ist ein Überfluss an Harmonia beim Bilden von Klauseln und besonders in deren Mitte. Der Überfluss entsteht aus dem Symblema und der Syncope auf dem doppelten, dreifachen und letzten Schlag, usw. Auf dem vierfachen Schlag ist es bei Orlando (di Lassos) Heu quantus dolor auf den Text „Restat amore dolor“ usw. zu finden. Auf dem kleineren und so einfacheren Schlag aber auch auf dem größeren Schlag lassen sich in italienischen Madrigalen und anderen ähnlichen Stücken unzählige Beispiele finden. Auf den doppelten Schlag finden sich viele Beispiele in Werken von Johannes Knoefel. Auf den dreifachen Schlag gibt es bei demselben Komponisten ein augenfälliges Beispiel im Stück Laetifica nos Deus usw.

Literarisch ist ein Pleonasmus ein Mehrfachausdruck. Er ist damit mit der Tautologie verwandt. Als Beispiel bei Cicero:

„versteckte und tief verborgene Dinge“ (Cic., nat. deor. 1,19,49)

oder bei Partikeln im Satz:

„das ist ja wohl eigentlich auch ausreichend“

Ein Pleonasmus ist damit ein eine Figur, die einen Reichtum an Worten bringt, die aber keinen zusätzlichen Informationsgehalt bringt, aber als Figur dennoch rhetorische Wirkung entfaltet.

Musikalisch sieht Burmeister darin die Verbreiterung oder Verlängerung (Prolongation) einer Klausel. Nicht ganz klar wird aus seinem Beispiel, ob mit einem Pleonasmus nur ein Bereich vor der Klausel gemeint sein kann, oder ob auch die Prolongation nach erreichen der Finalis als Pleonasmus bezeichnet werden kann. Seine Beschreibung stützt sich aber ganz eindeutig auf den Moment der Vorbereitung der Klausel (Im Beispiel der erste Kasten).

Im Wesentlichen eignen sich ausgreifende Cadenze doppie für die Gestaltung der Figur. Aber auch das langsame Ausschwingen nach Erreichen der Kadenz verdient hier, denke ich, einen rhetorischen Namen (im Beispiel der zweite Kasten). Als Beispiel wählt Burmeister Lassos Motette Heu quantus dolor aus: