Corpus Cantilenae VII – „Domine, Deus meus“

Die Anrufung des Herrn ist die majestätischste Stelle mit der wohl größten Klangentfaltung des Stückes und einer breiten Nutzung des Tonraums. Das Noëma als Figur tritt hier viel stärker hervor als im Abschnitt zuvor und entwickelt zusammen mit der Quintstiegsequenz eine große deklamatorische Wirkung. Der Vergleich mit den anderen Stellen, an denen das Noëma in der Motette verwendet wird zeigt wie fein die Nuancen beim Einsatz der Figur sind und welch große Wirkung mit diesen Nuancen erzielt werden kann.

War die Climax bei „et terrores tui“ (Corpus Cantilenae I) noch abwärts gerichtet, womit auf harmonischer Ebene ein Quintfall initiiert wurde, passiert hier mit dem Quintstieg genau das Gegenteil. Der Quintstieg bringt eine steigernde fast erhabene Wirkung, während der Quintfall im andern Beispiel eine eher tiefere Lage und weniger Strahlkraft entfalten kann.

Der zweite Faktor beim Vergleich ist die Schlusswirkung des Abschnitts hier. Durch eine große Kadenz nach a und eine anschließende Aposiopesis wird der Teil als Einheit klar hervorgehoben. Die fehlende Verzahlnung mit dem nächsten Teil setzt ein musikalisches Ausrufezeichen im Vergleich mit den anderen Teilen. Eine entsprechende Kadenz und Zäsur findet sich bei den „terrores“ beispielsweise nicht.